ÖsterreicherInnen in Nepal: 5 Fragen an Inge Patsch
Reisezeitraum: Jänner 2017
„Nepal ist wie ein Blatt Papier, dass es zu beschreiben gilt.“ Inge lebt seit 4 Jahren in Nepal. Sie leitet die VHS Bhaktapur, arbeitet als Senior Officer am österreichischen Honorarkonsulat in Kathmandu und engagiert sich in verschiedenen sozial- bzw. arbeitsmarktpolitischen Projekten. Das Interview führten wir am Montag, 16. Jänner 2017 in ihrem Büro bei Career Disha Nepal in Bhaktapur.
- Wenn ich jetzt deine Mutter fragen würde, was würde sie mir sagen, was du hier so machst in Nepal?
Sie würde sagen, dass ich hier unten eine Schule hab. Ich engagiere mich sozial. Wir unterrichten Deutsch. Ich arbeite zuviel und sollte mehr meine Zeit genießen. Sie würde auch sagen, dass ich oft in der abgelegenen Region Jumla war und Projekte für ganz, ganz tolle Nepalesinnen unterstützt habe. Sie würde dir erzählen, dass ich hier ein eigenes Projekt begonnen habe – Career Disha Nepal (CDN) (www.careerdishanepal.org) – ein arbeitsmarktpolitisches Beratungsprojekt für Jugendliche. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie über meine Arbeit am österreichischen Konsulat in Kathmandu erzählen würde, darüber reden wir nicht so viel. Sie würde dir somit viel erzählen, da sie wirklich viel über mein Leben hier weiß und wir einen sehr engen Kontakt haben. Sie unterstützt unsere Projekte auch im Rahmen von Crowdfunding, war eine unserer ersten Unterstützerinnen und brachte uns z.B. auch das Bildungsforum Bramberg.
- Kannst du dich noch an ein bleibendes Gespräch mit einem/r NepalesIn erinnern?
Zwei Geschichten blitzen hier gleich auf bei mir, die beide etwas mit Bildung zu tun haben. Am Anfang meiner Zeit hier in Nepal gab es „Bhanda“, den Generalstreik, wo alles zugesperrt ist und die Straßen leergefegt sind. Ich habe versucht rauszufinden, was denn der Sinn davon ist. Dazu habe ich unterschiedliche Personen befragt und keiner konnte mir den Grund für den Streik nennen. In Österreich würde man gleich wissen, dass zum Beispiel die Gewerkschaft wegen zu wenig Lohnerhöhung streikt. Hier weiß keiner so genau den Grund für einen Streik. Ein Nepalese hat mir dann erklärt, dass Schulbusse, wenn sie gelb angestrichen sind, trotzdem fahren dürfen in der Bhanda Zeit, aber dann auch mehr Steuern zahlen müssen. Später fand ich raus, dass das ziemlicher Blödsinn ist, aber für den Nepalesen war dies als Grund ausreichend. Die zweite Geschichte hat mir mein Gastvater aus Pokhara erzählt. Er arbeitet als Tourismusleiter des Annapurna Conservation Area Projects und hat lange Jahre in Upper Mustang gewohnt, um sich dort um Projekte zu kümmern. Mit ihm habe ich abends immer sehr lange Gespräche geführt. Er hat mir erzählt, dass die Menschen nur im Sommer in Upper Mustang leben und ihr Getreide anbauen. Im Winter reisen hauptsächlich Männer und Frauen mit größeren Kindern in den Süden von Indien, kaufen dort Stoffe ein und transportieren sie wieder zurück hoch in den Norden um sie dort zu verkaufen. Ein nomadischer Lebensstil, der mich als Europäerin gleich fragen ließ, warum denn dort niemand eine Infrastruktur aufbaut. Die Dörfer sind im Winter nämlich regelrecht verwaist. Es sind nur mehr die Alten und die Frauen mit kleinen Kindern dort. An das erinnere ich mich gerne zurück, weil mir zum ersten Mal richtig bewusst wurde, dass das hier wirklich eine andere Welt ist.
- Warum gerade Nepal?
Viele Zufälle, keine strategische Planung. Irgendetwas hat mich an buddhistischen Ländern immer schon fasziniert. Ich habe bereits mit 18 Jahren zu arbeiten begonnen und bin immer nur im Urlaub maximal drei Wochen verreist. Dann habe ich mir ein Jahr Bildungskarenz genommen, um mir eine Auszeit im Ausland zu nehmen und dachte zu Beginn an ein Auslandssemester in Japan. Dann war aber Fukushima. Wäre das nicht gewesen, würde ich heute vielleicht in Japan sitzen. Dann war ich mit einer Organisation in Südafrika wegen eines Praktikums im Gespräch. Zufällig hörte ich mir aber an der Universität Salzburg einen Vortrag von Kurt Luger an, der in Nepal ein Projekt leitet. Ich habe ihn über seine Erfahrungen befragt, fand dann eine Organisation und bin hier gelandet. Das war der erste Besuch. Den bewussten und dauerhaften Entschluss hierher zu ziehen habe ich getroffen, weil ich finde, dass Europa ein vollgeschriebener karierter Zettel ist. Es gibt diese ganzen Karos und überall sitz schon jemand drinnen – entweder eine Organisation, eine Behörde oder eine Institution. Das gesellschaftliche Engagement für viele Themen ist abgedeckt. Und Nepal ist dann für mich wie ein weißes Blatt Papier. Ich habe gesehen, wie dieses weiße Blatt Papier bei den Menschen unglaublich viel Kreativität weckt. Die Menschen hier sind oft nicht richtig gebildet, also haben einen Mangel an unterschiedlicher fachlicher Qualifikation, aber sie wollen etwas machen. Sie wollen etwas aufbauen und sie tun einfach. Diese Arbeitseinstellung hat mir einfach gefallen und das das auch alles mit einem Lachen geht. Also entweder es passiert mit Freude oder eben nicht. Dieser Zugang zum Leben hat mich einfach inspiriert. Ideen, Enthusiasmus, endlose Fragen wie bei Kindern, wie man das oder das machen kann hat mich motiviert wiederzukommen und hier jetzt mit ihnen zu arbeiten. Ich bin hier die Umsetzerin. Die Menschen haben hier jede Menge Ideen und ich übernehme die Rolle der Umsetzerin. Warum auch nicht. Aus Monaten wurden dann Jahre und ich bin seit 4 Jahren hier.
- Was vermisst du am meisten aus Österreich?
Definitiv Freunde und Familie – mit allem anderen habe ich mich engagiert hier – obwohl ich inzwischen auch hier schon einen Freundeskreis aufgebaut habe. In Bezug auf Annehmlichkeiten ist es eine Badewanne und dann auch noch das Freizeitaktivitäten. In Österreich geht man am Wochenende Wandern, Schwimmen oder Skifahren und das gibt es hier alles nicht. Aber Yoga mache ich.
- Was war der schönste Moment bis jetzt hier in Nepal?
Schwierig hier einen Moment auszuwählen. Ich würde sagen, alle die Momente, in denen Dankbarkeit zurückgekommen ist. Momente, in denen Menschen zu einem Kommen und Danke sagen und man merkt, man hat etwas geändert in ihrem Leben. Ich habe mich zum Beispiel in Jumla für ein Projekt eingesetzt, bei dem man für Kleinkinder angereichertes Müsli produziert hat, damit sie eine bessere Ernährung haben. Dazu muss man sagen, dass dieses Dorf erst seit 2014 Strom bezieht, also komplett unterentwickelt war. Bei meinem Austreten aus dem Projekt hat mir der dort ansässige Projektleiter einen Jazagumba geschenkt. Das ist eine Mischung zwischen einem Wurm und einer Wurzel bzw. Pilz und ist in der traditionellen tibetischen sowie in der chinesischen Medizin hoch heilsam angesehen und kostet für seine Verhältnisse ein Vermögen. Sie suchen und finden ihn zwar aber er hätte ihn auch verkaufen können. Hier habe ich gemerkt, wie dankbar er war und wie ich ihn persönlich berührt habe mit meiner Arbeit. Es gab auch viele schöne Momente bei meiner Arbeit an der VHS Bhaktapur, wo ich gemerkt habe, dass wir nun jungen Menschen einen Spielraum durch Bildung ermöglicht haben, den es vorher nicht gegeben hat.
Period of travel: January 2017″
Nepal is like a piece of paper that is to be described.“
Inge has lived in Nepal for 4 years. She heads the VHS Bhaktapur, works as a senior officer at the Austrian Honorary Consulate in Kathmandu and is involved in various social and labor market policy projects. We conducted the interview on Monday, January 16, 2017 in her office at Career Disha Nepal in Bhaktapur.
- If I were to ask your mother now, what would she tell me, what are you doing here in Nepal?
She’d say I’ve got a school down here. I am committed to social issues. We teach German. I work too much and should enjoy more of my time. She would also say that I was often in the remote region of Jumla and had supported projects for quite, very great Nepalese. She would tell you that I started my own project here – Career Disha Nepal (CDN) ( www.careerdishanepal.org ) – a labor market policy consulting project for young people. I am not sure if you would tell me about my work at the Austrian Consulate in Kathmandu, we do not talk about it so much. She would tell you so much, since she really knows a lot about my life here and we have a very close contact. It also supports our projects in the context of crowdfunding,
- Can you remember a lasting conversation with a Nepalese?
Two stories are flashing right here, both of which have something to do with education. At the beginning of my time here in Nepal there was „Bhanda“, the general strike, where everything is locked and the streets are swept empty. I tried to find out what the meaning of it is. For this I asked different people and no one could give me the reason for the strike. In Austria, one would immediately know that, for example, the union strikes because of too little wage increases. Here, no one knows exactly why a strike. A Nepalese told me then that school buses, if they are painted yellow, may still drive in the Bhanda time, but then also have to pay more taxes. Later I found out that the pretty stupid is, but for the Nepalesewar this was sufficient as a reason. The second story told me my guestfather from Pokhara. He works as Tourism Director of the AnnapurnaConservation Area Project and has lived in Upper Mustang for many years to look after projects. With him I always led very long conversations in the evening. He told me that people live in Upper Mustang only during the summer and grow their crops. In winter, mainly men and women with larger children travel to the south of India, buy fabrics there and transport them back up north to sell them there. A normative lifestyle, which as a European woman let me ask, why no one builds an infrastructure there. The villages are orphaned in the winter. There are only the elderly and the women with small children there. I’d like to remember that because I realized for the first time that this is really a different world.
- Why Nepal?
Many coincidences, no strategic planning. Something has always fascinated me in Buddhist countries. I have already begun to work at the age of 18 and I am only traveling on vacation for a maximum of three weeks. Then I took a year of education to take a time out abroad and thought of a foreign semester in Japan. Then Fukushima. If that had not been, I would perhaps be sitting in Japan today. Then I was in conversation with an organization in South Africa for an internship. By chance, however, I listened to a speech given by Kurt Luger at the University of Salzburg , who heads a project in Nepal. I asked him about his experiences, then I found an organization and I ended up here. This was the first visit. I have made the conscious and lasting decision here because I find that Europe is a full-fledged placard. There are all these checks and there is already someone inside – either an organization, an authority or an institution. The social commitment to many topics is covered. And Nepal is then for me like a white sheet of paper. I’ve seen how this white sheet of paper gives people incredible creativity. The people here are often not properly educated, so have a lack of different professional qualifications, but they want to do something. They want to build something and they simply do. This work setting has simply appealed to me and that is all synonymous with a laugh. So either it happens with joy or not. This approach to life simply inspired me. Ideas, enthusiasm, endless questions as with children, how to do this or that has motivated me to come back and work with them now. I’m the translator. People have a lot of ideas here and I take over the role of the translator. Why not. From months then years and I have been here for 4 years.
- What do you miss most from Austria?
Definitely friends and family – with everything else I have committed myself here – although I have already built a friend circle here. In terms of amenities, it is a bathtub and then also the leisure life. In Austria you go on the weekend hiking, swimming or skiing and there is nothing here. But I do yoga.
- What was the most beautiful moment so far here in Nepal?
Difficult to select here for a moment. I would say all the moments in which gratitude has come back. Moments when people come to a coming and thank you and you realize you’ve changed something in their lives. For example, I have been working in Jumla for a project to produce muesli enriched for infants, so they have a better diet. One has to say that this village has only been electricity since 2014, so completely underdeveloped. At my exit from the project the resident project manager gave me a Jazagumba paid. This is a mixture between a worm and a root Mushroom and is highly regarded in traditional Tibetan as well as in Chinese medicine and costs for its circumstances a fortune. They search and find him, but he could have sold him. Here I noticed how grateful he was and how I personally touched him with my work. There were also many nice moments in my work at the VHS Bhaktapur, where I realized that we have now given young people a room for learning through education that has not existed before.